Under The No Sky – Tour 2012

Genug Geheimtipp! Es wird Zeit dem Flüstern über SUPER700 ein Megaphon hinzuhalten. Selbst dann wird daraus noch lange kein Marktschrei, sondern vielmehr ein lautstarkes Nachdenken. Alles andere wäre auch nicht angemessen bei dieser Band. Denn die vier Berliner kommen immer irgendwie leise daher. Mit einer Ruhe, die scheinbar lange in Feinsinn getränkt wurde und daher auch im Lärm unserer Zeit gut zu verstehen ist. Nach einer EP, zwei Alben, Tourneen von ganz links bis ganz rechts auf der Weltkarte, bitten SUPER700 erneut zum genau Zuhören. Das neue Album „under the no sky“ klingt als wäre es lange geräuchert worden. Über einem Schwelfeuer aus Sperrmüll, der sich die letzten Jahre angesammelt hatte. Es hat dadurch eine wohltuende Reife.

Nachdem die Band bei den letzten Alben Erfahrungen mit den Produzenten Gordon Raphael (Strokes, Regina Spektor) und Rob Kirwan (U2, PJ Harvey) gesammelt hatte, wagten sie nun das erste Mal "Under the no sky" als erste SUPER700 Platte komplett selbst zu produzieren, aufzunehmen und zu mischen.

Die Band hat im Laufe der Jahre 4 Mitglieder an das wirkliche Leben verloren, doch anstatt sich nach einer typischen zwei-Platten-Karriere aufzulösen machen SUPER700 jenseits aller Moden mit dieser Platte nun einen Schritt in ein neues Leben. Ruhiger, nachdenklicher und erwachsener.

Jan Terstegen spielt nun Gitarre und wo früher oft die engelsgleichen Stimmen der Ramadani Schwestern hervorgehoben wurden steht jetzt die Stimme von Ibadet allein da. Ehrlich und klar , bekennend und beschwörend und mit mehr Raum zum Atmen. Die Syntheziser sind echten Streichern und Chören gewichen. Die Musik schöpft Kraft aus Einfachheit ohne in eine produzierte pseudo Authentizität zu verfallen. Aber die Art wie verschiedenste Einflüsse auf under the no sky mühelos integriert werden, zeigt wie einfach und spielerisch sich SUPER700 weiterhin in großer Eigenständigkeit bewegen.

Mit 21st century girl beginnt die Platte wie ein dunkler Morgen, langsam das Schlagzeug, in Ihrer tiefsten Stimmlage singt Ibadet von fliegenden Fischen und weissen Haien bereit für Krieg. SUPER700 im Auge des Orkans und man bekommt Angst vor dem Tag. Doch langsam hebt sich der Song in höhere Lagen und ein weicher warmer Chor trägt uns vorbei an schwarzen Löchern in einen hoffnungsvollen großen Refrain, der ins Herz meißelt: dies ist ein neuer Anfang nicht das Ende von SUPER700. Bevor ein Gitarrenwirbelstrum schliesslich das Lied verschlingt erstaunt noch ein Kazzoo, das hier wehklagend seinen ungewöhlichsten Einsatz findet.

Das zweite Lied life with grace befreit musikalisch aus der Dunkelheit. Chor und Streicher schmiegen sich wattig wie aus einem 50er Jahre Hollywoodfilm an einen zeitlosen, einfachen Beat. Im Zentrum des Textes steht tatsächlich eine moralische Aufforderung: "life your life with grace". Ist das eine Lösung für irgendein Problem? Wenn man dieser entwaffnend sanften Stimme zuhört, die hier in Ihrer nüchternen Schönheit unendlich bezaubert, will man es glauben.

Gerade warm eingedeckt reißt uns decent snow mit erdiger Wucht in den Schnee der ersten Single. Hier herrscht eine klare, rockende Band bis die Streicher in den Refrain schneien und ihn in die Weite der Landschaft wehen. Im Gegensatz dazu verteidigt sich Ibadet angegriffen und verzweifelt in der Strophe, um sich im Refrain selbst zu finden "i'll be everything i've ever been!"

One of a kind lädt ein sich neben das Klavier zu setzen, das sanft durchatmet. Das Schlagzeug startet in ein monotones Mantra und der Gesang stellt zwei einfache Fragen: "Where does all this love come from" und "Where does all this hate come from". Mit einer ebenso einfachen Antwort verfällt der Song dann in eine Art Gospel, der Chor stimmt in die Klage mit ein und eine einsame Gitarre spielt darüber ein fast klassisches Blues Solo. SUPER700 bleiben dem Stilbruch treu, während die Platte sich an den Kern der Dinge tastet und um dort Trost zu spenden.

Mit seltsam eingängiger 80er Jahre Popmelodik gräbt sich der Titelsong der Platte ins Ohr, ohne wirklich nach einem Jahrgang zu fragen. Dieser Song ist laut SUPER700 auf einer Tour in China entstanden, nach dem sie dort tagelang unter einer dichten Smogglocke lebten ohne jemals die Sonne zu sehen.

"Alles war getaucht in unwirklich weiches Licht, das harmlos erscheinen lässt, was einen langsam tötet". Under the no sky als Plattentitel sei aber auch ein Synonym für eine schwierige Zeit, wo weder der Himmel über einem noch in der Ferne zu sehen gewesen sei und durch die nur die Arbeit an der Platte die Band am Leben erhielt.

When the evening comes tritt wiederum in einem völlig anderen musikalischen Gewand auf und ringt dem Tod das Leben ab, mit entrückend fröhlichen Remineszensen an afrikanische Highlife Musik und einem Text, der auf wunderschöne Weise Mut macht für die Wiedergeburt.

In Old Moon spiegelt sich der Gesang nun in vollkommener Ruhe im Mondlicht. Silbrige Melodien schlafwandeln durch die Nacht und die Band spielt dazu eine warme Federdecke. Dear Wolf schlägt ungewöhnliche rockige Töne an die so schnell vorbeiziehen wie Sie gekommen sind. Das Stück bricht heraus, als hätte es die ganze unter Oberfläche gebrodelt, eine kurze Wut die sich nicht ewig unterdrücken lässt.

Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei und in aufrechtem Stolz und erhabener Schönheit zieht uns das nächste Stück Make Rain in eine Märchenwelt voller eigenartiger Glockenklänge und musikalischer Gestalten.

Über einem "White Rabbit" - haften Trommelmarsch trohnen einsame Streicher, die sich schließlich in einem wundersamen Instrumentalteil wirr träumend ineinander verschlingen. Ibadet erscheint hier eindringlich und bedrohlich Sanft und so endet der Song mit Totenglocken die an alte Italo-Western erinnern und einer klagenden Stimme in der Ferne, die auch einer alten Flamenco-Platte entsprungen seien könnte.

My Bones schließlich klingt, als hätten Massiv Attack eine Akustik Album produziert. Ein repitativer Beat vermischt sich mit akustisch dubbigen Klängen und man taucht ein in ein Meer von zeitlos schönen musikalischen Bruchstücken, die einen auffordern das Stück immer wieder zu hören bis sich sein hypnotischer Zauber ganz erschließt. Es ist die dunkle Nacht nach der Krise, aber irgendetwas kommt schon aus der Ferne.

Das Schlussstück Queen of inbetween fällt nur mit Westerngitarre und Stimme vollkommen aus dem gehörten Rahmen. Ein Schlaflied, das auch eine Marilyn Monroe in "Fluss ohne Wiederkehr" hätte singen können. Mit melancholischem Humor wird alles Dunkle und Ernste beiseite geschoben, so, daß dieses Album selbst zur "Queen of inbetween" wird, zu einer erhabenen, schönen Zwischenstation und Bestandsaufnahme für SUPER700 auf dem Weg aus der Krise.

Wenn My Bloody Valentine ein Drogenrausch war, ist SUPER700 der Moment am nächsten Tag, in dem man darin schwelgt, ihn durchlebt zu haben. Mit allen Freuden und Verletzungen, die er mit sich brachte. Auch das ist eine Form von Trost.

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Under The No Sky – Tour 2012

Genug Geheimtipp! Es wird Zeit dem Flüstern über SUPER700 ein Megaphon hinzuhalten. Selbst dann wird daraus noch lange kein Marktschrei, sondern vielmehr ein lautstarkes Nachdenken. Alles andere wäre auch nicht angemessen bei dieser Band. Denn die vier Berliner kommen immer irgendwie leise daher. Mit einer Ruhe, die scheinbar lange in Feinsinn getränkt wurde und daher auch im Lärm unserer Zeit gut zu verstehen ist. Nach einer EP, zwei Alben, Tourneen von ganz links bis ganz rechts auf der Weltkarte, bitten SUPER700 erneut zum genau Zuhören. Das neue Album „under the no sky“ klingt als wäre es lange geräuchert worden. Über einem Schwelfeuer aus Sperrmüll, der sich die letzten Jahre angesammelt hatte. Es hat dadurch eine wohltuende Reife.

Nachdem die Band bei den letzten Alben Erfahrungen mit den Produzenten Gordon Raphael (Strokes, Regina Spektor) und Rob Kirwan (U2, PJ Harvey) gesammelt hatte, wagten sie nun das erste Mal "Under the no sky" als erste SUPER700 Platte komplett selbst zu produzieren, aufzunehmen und zu mischen.

Die Band hat im Laufe der Jahre 4 Mitglieder an das wirkliche Leben verloren, doch anstatt sich nach einer typischen zwei-Platten-Karriere aufzulösen machen SUPER700 jenseits aller Moden mit dieser Platte nun einen Schritt in ein neues Leben. Ruhiger, nachdenklicher und erwachsener.

Jan Terstegen spielt nun Gitarre und wo früher oft die engelsgleichen Stimmen der Ramadani Schwestern hervorgehoben wurden steht jetzt die Stimme von Ibadet allein da. Ehrlich und klar , bekennend und beschwörend und mit mehr Raum zum Atmen. Die Syntheziser sind echten Streichern und Chören gewichen. Die Musik schöpft Kraft aus Einfachheit ohne in eine produzierte pseudo Authentizität zu verfallen. Aber die Art wie verschiedenste Einflüsse auf under the no sky mühelos integriert werden, zeigt wie einfach und spielerisch sich SUPER700 weiterhin in großer Eigenständigkeit bewegen.

Mit 21st century girl beginnt die Platte wie ein dunkler Morgen, langsam das Schlagzeug, in Ihrer tiefsten Stimmlage singt Ibadet von fliegenden Fischen und weissen Haien bereit für Krieg. SUPER700 im Auge des Orkans und man bekommt Angst vor dem Tag. Doch langsam hebt sich der Song in höhere Lagen und ein weicher warmer Chor trägt uns vorbei an schwarzen Löchern in einen hoffnungsvollen großen Refrain, der ins Herz meißelt: dies ist ein neuer Anfang nicht das Ende von SUPER700. Bevor ein Gitarrenwirbelstrum schliesslich das Lied verschlingt erstaunt noch ein Kazzoo, das hier wehklagend seinen ungewöhlichsten Einsatz findet.

Das zweite Lied life with grace befreit musikalisch aus der Dunkelheit. Chor und Streicher schmiegen sich wattig wie aus einem 50er Jahre Hollywoodfilm an einen zeitlosen, einfachen Beat. Im Zentrum des Textes steht tatsächlich eine moralische Aufforderung: "life your life with grace". Ist das eine Lösung für irgendein Problem? Wenn man dieser entwaffnend sanften Stimme zuhört, die hier in Ihrer nüchternen Schönheit unendlich bezaubert, will man es glauben.

Gerade warm eingedeckt reißt uns decent snow mit erdiger Wucht in den Schnee der ersten Single. Hier herrscht eine klare, rockende Band bis die Streicher in den Refrain schneien und ihn in die Weite der Landschaft wehen. Im Gegensatz dazu verteidigt sich Ibadet angegriffen und verzweifelt in der Strophe, um sich im Refrain selbst zu finden "i'll be everything i've ever been!"

One of a kind lädt ein sich neben das Klavier zu setzen, das sanft durchatmet. Das Schlagzeug startet in ein monotones Mantra und der Gesang stellt zwei einfache Fragen: "Where does all this love come from" und "Where does all this hate come from". Mit einer ebenso einfachen Antwort verfällt der Song dann in eine Art Gospel, der Chor stimmt in die Klage mit ein und eine einsame Gitarre spielt darüber ein fast klassisches Blues Solo. SUPER700 bleiben dem Stilbruch treu, während die Platte sich an den Kern der Dinge tastet und um dort Trost zu spenden.

Mit seltsam eingängiger 80er Jahre Popmelodik gräbt sich der Titelsong der Platte ins Ohr, ohne wirklich nach einem Jahrgang zu fragen. Dieser Song ist laut SUPER700 auf einer Tour in China entstanden, nach dem sie dort tagelang unter einer dichten Smogglocke lebten ohne jemals die Sonne zu sehen.

"Alles war getaucht in unwirklich weiches Licht, das harmlos erscheinen lässt, was einen langsam tötet". Under the no sky als Plattentitel sei aber auch ein Synonym für eine schwierige Zeit, wo weder der Himmel über einem noch in der Ferne zu sehen gewesen sei und durch die nur die Arbeit an der Platte die Band am Leben erhielt.

When the evening comes tritt wiederum in einem völlig anderen musikalischen Gewand auf und ringt dem Tod das Leben ab, mit entrückend fröhlichen Remineszensen an afrikanische Highlife Musik und einem Text, der auf wunderschöne Weise Mut macht für die Wiedergeburt.

In Old Moon spiegelt sich der Gesang nun in vollkommener Ruhe im Mondlicht. Silbrige Melodien schlafwandeln durch die Nacht und die Band spielt dazu eine warme Federdecke. Dear Wolf schlägt ungewöhnliche rockige Töne an die so schnell vorbeiziehen wie Sie gekommen sind. Das Stück bricht heraus, als hätte es die ganze unter Oberfläche gebrodelt, eine kurze Wut die sich nicht ewig unterdrücken lässt.

Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei und in aufrechtem Stolz und erhabener Schönheit zieht uns das nächste Stück Make Rain in eine Märchenwelt voller eigenartiger Glockenklänge und musikalischer Gestalten.

Über einem "White Rabbit" - haften Trommelmarsch trohnen einsame Streicher, die sich schließlich in einem wundersamen Instrumentalteil wirr träumend ineinander verschlingen. Ibadet erscheint hier eindringlich und bedrohlich Sanft und so endet der Song mit Totenglocken die an alte Italo-Western erinnern und einer klagenden Stimme in der Ferne, die auch einer alten Flamenco-Platte entsprungen seien könnte.

My Bones schließlich klingt, als hätten Massiv Attack eine Akustik Album produziert. Ein repitativer Beat vermischt sich mit akustisch dubbigen Klängen und man taucht ein in ein Meer von zeitlos schönen musikalischen Bruchstücken, die einen auffordern das Stück immer wieder zu hören bis sich sein hypnotischer Zauber ganz erschließt. Es ist die dunkle Nacht nach der Krise, aber irgendetwas kommt schon aus der Ferne.

Das Schlussstück Queen of inbetween fällt nur mit Westerngitarre und Stimme vollkommen aus dem gehörten Rahmen. Ein Schlaflied, das auch eine Marilyn Monroe in "Fluss ohne Wiederkehr" hätte singen können. Mit melancholischem Humor wird alles Dunkle und Ernste beiseite geschoben, so, daß dieses Album selbst zur "Queen of inbetween" wird, zu einer erhabenen, schönen Zwischenstation und Bestandsaufnahme für SUPER700 auf dem Weg aus der Krise.

Wenn My Bloody Valentine ein Drogenrausch war, ist SUPER700 der Moment am nächsten Tag, in dem man darin schwelgt, ihn durchlebt zu haben. Mit allen Freuden und Verletzungen, die er mit sich brachte. Auch das ist eine Form von Trost.

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