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Pink Martini

Auch ein Schmetterling kann mal die falsche Kurve kriegen. Und während der Rest der Familie, der kleine Blaue und der nervöse Grüne, der galante Rote und all die anderen Kunterbunten geradeaus weiterfliegen, nimmt er, der verträumte Gelbe, versehentlich den Weg nach links und landet in einem Setzkasten. Fortan glauben sämtliche Betrachter, die ganze Sippe sei halt so schön gelb.

Als der Pianist Thomas M. Lauderdale 1994 die Band PINK MARTINI gründete, stand ihm der Sinn nach fast Allem – außer nach monochromer Uniformität. Seine stets ungefähr ein Dutzend Mitstreiter legten schon 1997 auf dem Debütalbum „Sympathique“ eine musikalische Melange vor, die nicht nur aus den 1930er bis in die späten 1950er Jahre des damals noch gar nicht, heute aber sehr wohl vergangenen Jahrhunderts ihre Klänge sog, sondern die allesamt mit höchst ausgeprägt individualistischen Talenten und Vortragsweisen glänzten. Und dann landeten einige der Preziosen halt auf den zu dieser Zeit sehr populären „Lounge Compilations“, zogen so durch die Welt und hätten der Band den Ruf verderben können. PINK MARTINI wären vielleicht auf ewig die Gelben Schmetterlinge gewesen.

Dass es dazu trotzdem nicht kam, liegt zum einen an dem unermüdlich forschenden, dem Experiment verschriebenen Lauderdale, zum anderen aber auch daran, dass sein Kombinat denkwürdig seltene Mechanismen in Gang zu setzen scheint. Wer PINK MARTINI je auf einer Bühne erleben durfte, wird bei der nächsten Gelegenheit zum Wiederholungstäter. Und kommt dann nicht allein. Hält notfalls gute Freunde von der Hochzeit ab und überredet deren Sippschaft auch noch ins Konzert. Mittlerweile nämlich hat Lauderdale das Repertoire von PINK MARTINI bis in die Musik des Hier & Jetzt erweitert, ohne dabei das wunderbar Nostalgische früherer Zeiten gleich im Restmüll zu entsorgen.

Er geht jetzt sogar noch weiter. Auf dem neuen Album „Je Dis Oui!“ versammelt er nicht nur in gewohnter Weise exquisite Musiker, vor denen dieses Mal erneut nicht seine „Ur“-Chanteuse China Forbes, sondern die ebenso gefeierte Storm Large (sie heißt wirklich so!) die Lead Vocals erheben wird. Und er hat sich, damit er auf keinen Fall ruhige Minuten in sein reges Schaffen einplanen muss, auf der ganzen Welt nach Songs oft längst von uns gegangener Diven umgesehen. Mit erstaunlichem Erfolg. So mag zwar die Sängerin Fairuz in Europa oder den USA kaum jemandem bekannt sein, im Libanon hingegen ist sie die Edith Piaf des Landes. Oder kennen Sie Googoosh? Tja, aber fragen Sie mal einen Nachbarn aus dem Iran, der die 60 überschritten hat. Und wie steht’s mit Amália Rodrigues? Nun, den Portugiesen gilt die schon 1999 verstorbene Sängerin bis heute als Königin des Fado.

Dieses also sind einige der Quellen, um welche Lauderdale seine Schöpfung PINK MARTINI inzwischen bereichert hat und somit die treue Gemeinde auf ein Neues in seine Konzerte locken wird. Daran nämlich gibt es gar keinen Zweifel, schon gar nicht in Zeiten, da nach echtem Stil und wahrhaftiger Grandezza fast schon verzweifelt gesucht werden muss. Oder um es mal ein bisschen lebensnäher zu formulieren: Bei einem Konzert von PINK MARTINI meint man hinterher, den US-Wahlkampf wahrscheinlich nur in einem bösen Traum erlebt zu haben. Das kann doch unmöglich ein und dieselbe Spezies gewesen sein!?

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